Wolfgang (00:00:01)
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Flurfunk aus Herne, der Verwaltungstalk, dein Podcast, wenn es um topaktuelle Themen und Learnings aus der Verwaltung geht. Mein Name ist Wolfgang Patz, ich bin Podcastcoach und Moderator und im Auftrag der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern NRW spreche ich alle zwei Wochen mittwochs mit spannenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor. Heute zu Gast Mohamed El Boujaddaini. Er ist Verwaltungsmitarbeiter, interkultureller Trainer und Comedian.
Gemeinsam sprechen wir darüber, warum interkulturelle Kompetenzen im beruflichen Alltag unabdingbar sind und wie eine gesunde Portion Humor hilft, mehr Verständnis füreinander zu entwickeln.
Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich dir, Mohamed.
Mohamed (00:00:45)
Den wünsche ich dir auch, Wolfgang.
Wolfgang (00:00:47)
Heute zu Gast hier bei mir im Flurfunk, deinem Verwaltungstalk, habe ich den Mohamed El Boujaddaini. Und ja, Mohamed, lass uns nochmal direkt reinstarten. Und du sagst uns einfach mal kurz, wer du bist und was deine Verbindung zum öffentlichen Dienst ist. Was machst du, wer bist du? Öffentlicher Dienst.
Mohamed (00:01:06)
Genau, also ich bin Mohamed El Boujaddaini. Ich komme aus der Nähe von Köln, aus Frechen, 35 Jahre alt. Genau, ich bin schon seit... Also ich habe eine duale Ausbildung gemacht im öffentlichen Dienst. Genau, vor, wie lang ist das jetzt her? Vor über zehn Jahren. Genau, und habe jetzt ja verschiedene Stationen dort gehabt und habe im öffentlichen Dienst quasi auch angefangen, in meine Selbstständigkeit zu gehen. Mittlerweile... bin ich nur noch in Teilzeit im öffentlichen Dienst und habe nebenbei ein paar spannende eigene Projekte. Genau.
Wolfgang (00:01:43)
Was sind das so für Projekte?
Mohamed (00:01:46)
Ja genau, also ich habe mich sehr viel mit dem Thema Antidiskriminierung und Antirassismus beschäftigt, vor allem 2015, 2016. Und da ist auch die Brücke dann wieder zum öffentlichen Dienst. Da sind ja viele Menschen nach Deutschland gekommen, geflüchtet. Und ich durfte bzw. das haben wahrscheinlich viele nicht mitbekommen, aber das BAMF, was ja dann zuständig ist für die Asylanträge, hat halt ganz viele Leute aus dem öffentlichen Dienst abgeordnet. Und einer davon war ich. Also ich war dann ein halbes Jahr in München, habe dann dort, ja, Geflüchtete angehört und Interviews geführt mit denen und dann auch tatsächlich Bescheide geschrieben, Entscheidungen getroffen. Wer hier bleiben darf und wer nicht. Und genau, das war dann so für mich auch der Start so in die Richtung Antidiskriminierungsarbeit. Ich habe mich im selben Jahr noch selbstständig gemacht als Trainer. Und das ist jetzt 2016. Das ist jetzt genau fast sieben Jahre her. Und seitdem mache ich halt Workshops, Trainings, Vorträge, alles rund um das Thema Antidiskriminierung. Also angefangen habe ich mit interkultureller Kompetenz. Aber ich habe immer mehr gemerkt, dass wenn du die Grundlagen von Diskriminierung und so weiter nicht irgendwie drauf hast, dann brauchst du eigentlich gar nicht über interkulturelle Kompetenzen zu sprechen. Genau das ist so der nächste Step dann.
Wolfgang (00:02:55)
Ja. Und was meinst du, warum haben die dich ausgewählt dazu? Oder hast du dich darauf beworben?
Mohamed (00:03:01)
Also meine Chefin hat fast die Uhr danach gestellt, dass ich mich melde, als sie gesehen hat, da suchen die Leute, weil die wusste ja auch so ein bisschen von meinem privaten Interesse. Was heißt privates Interesse? Eigentlich mehr so die eigene Betroffenheit? Also ich mache die Arbeit insbesondere dadurch, weil ich halt selber auch Migrationsgeschichte habe und ja auch muslimisch, ja sehr muslimisch lebe und so weiter. Und deswegen versuche ich das halt auch so ein bisschen. Ist es meine Art, damit umzugehen? Und da meine Chefin das immer wusste, ja, hat die fast den Wecker danach gestellt, dass ich mich melde.
Wolfgang (00:03:36)
Ja?
Mohamed (00:03:37)
Ja, genau. Und dann war ich halt da. Ist natürlich immer schwierig, gerade wenn du in einem Job arbeitest, wo du auch viele andere Menschen mit Migrationsgeschichte hast, dann bist du häufig so zwischen… zwischen beiden Kulturen und ich versuche dieses zwischen beiden Kulturen dazu zu nutzen, es beiden Seiten so einfach wie möglich zu machen.
Wolfgang (00:03:53)
Das BAMF, also jetzt für so Außenstehende wie mich. Was bedeutet die Abkürzung?
Mohamed (00:03:59)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Wolfgang (00:04:02)
Okay.
Mohamed (00:04:03)
Genau. Das sind die, die alle Anhörungen organisiert haben damals. Und dadurch, dass so viele Menschen nach Deutschland geflüchtet sind in kurzer Zeit, wurde gefühlt aus jeder Ecke irgendwie ein Büro gemacht und Menschen wie ich, die quasi eine ganz andere Ausbildung haben, mussten dann halt die Anhörungen oder haben halt die Anhörungen durchgeführt.
Wolfgang (00:04:19)
Kannst du dich noch an die erste Anhörung erinnern, die du gemacht hast? Und wenn ja, wie hast du dich darauf vorbereitet? Wie hast du das so erlebt?
Mohamed (00:04:29)
Genau, also ich kann mich noch gut daran erinnern, weil da ich da auch den ersten großen interkulturellen Unterschied festgestellt habe. Und gerade wenn du aus der Kultur quasi gerade erst gekommen bist, im Vergleich zu Deutschland, beim Thema Kommunikation habe ich das festgestellt, weil ich hatte die Aufgabe, ich sollte halt so schnell wie möglich erfahren oder heraushören, warum jemand geflüchtet ist, um dann entscheiden zu können, je nachdem, aus welchem Herkunftsland: darf der Mensch hier bleiben oder nicht? Und ja, die erste Anhörung ging, glaube ich, dann vier Stunden oder so. Und, weil ich halt höflich war und nicht irgendwie gefragt habe, ja, jetzt komm doch mal auf den Punkt zurück, habe ich mir halt die ganze Geschichte angehört.
Wolfgang (00:05:10)
Ja.
Mohamed (00:05:11)
Und die ging dann ja mein Ur-Ur-Ur-Großvater aus dem Dorf, hatte Streit mit dem Ur-Großvater aus dem anderen Dorf und ich habe alles notiert. Also ich musste ja das ganze Interview notieren. Also nach vier Stunden meinte ich zu meinem Chef, ich weiß jetzt auch nicht warum der geflüchtet ist. Und dann meinte er ja, du musst da hin und dann musst du sofort zwischengrätschen. Da hat er mich in eine andere Anhörung reingesetzt von einem Erfahreneren. Erfahren heißt quasi seit drei Monaten macht er das. Ja, und der war dann direkt so. Ja, ja, stopp, stopp, zack, Cut und nochmal. So, ich will den Tag wissen, an dem du entschieden hast. Ne, genau, deswegen erinnere ich mich gut. Also ich habe dann quasi aus vier Stunden Interview dann nur noch eine halbe Stunde Interview hinbekommen.
Wolfgang (00:05:45)
Ja, ich sag mal, du hast da gesagt, du hast darüber entschieden oder Bescheide ausgestellt, ob die bleiben dürfen oder nicht. Das ist ja schon eine ganz schön krasse, krasse Aufgabe, krasse Befugnis, die man dann auch hat und eine Verantwortung. Wie bist du damit umgegangen?
Mohamed (00:06:02)
Ja, definitiv. Ich bin damit umgegangen, indem ich versucht habe, außerhalb der Arbeit komplett abzuschalten. Also ich war ja dann in einer anderen Stadt, habe mich sofort im Fußballverein dort angemeldet, habe auch gar nicht erzählt, im Fußballverein, warum ich dort bin in München.
Wolfgang (00:06:17)
Ja.
Mohamed (00:06:18)
…, weil das extrem wichtig war, weil ich war ja quasi… Ich wurde ja ausgebildet mit 30 anderen und ich habe dann gemerkt, wie das bei denen abgelaufen ist im Kopf, die nicht abgeschaltet haben. Also die quasi… Die haben zum Beispiel sowas gemacht, sowas passiert da sehr häufig, dass wenn man sich nach der Arbeit trifft, dann bin ich einmal mitgegangen und dann nie wieder, weil ich gesehen habe, dass sie dort nur über ihre Anhörungen reden. War das richtig, war das falsch und so weiter. Und ich war tatsächlich nach drei Monaten kurz davor, das abzubrechen, weil das auch sehr, sehr viel mit mir selber gemacht hat.
Und dann habe ich halt überlegt, ja, was bringt das jetzt, wenn ich jetzt abbreche, dann wird vielleicht jemand anders die Stelle kriegen. Und wer weiß, ob der so verantwortungsvoll damit umgeht oder halt auch nicht. Also ich mache es ja nicht den Geflüchteten quasi einfacher, wenn ich einfach weggehe. Und dann habe ich mich irgendwie ein Stück weit auch mit verantwortlich gefühlt. Und ich musste auch für mich so klar haben, das sind halt die Regeln, so. Das ist das Gesetz, das entscheide ja nicht ich. Letztendlich bin ich ja nur der, der das Gesetz… Also die Entscheidung liegt ja nicht bei mir, sondern es hängt ja erstmal ganz stark von dem Herkunftsland ab, wo du herkommst. Und dann natürlich, ob die Glaubwürdigkeit deiner Geschichte, ob das passt oder nicht. Aber wenn du jetzt zum Beispiel kommen würdest, wenn du jetzt sagen würdest, ich bin aus Polen oder aus Spanien gekommen, weil ich gehört habe, hier kann man Karriere machen, dann kann ich ja, also dann hat sich ja die Entscheidung schon erledigt. Wenn du aber sagst, ich bin aus Syrien und da ist Krieg und dann ist die Entscheidung auch nur noch, ob du dauerhaft bleibst oder halt nicht dauerhaft, je nach Einzelfall.
Wolfgang (00:07:41)
Mohamed, bevor wir jetzt so richtig in die in die Fragerunde starten, hätte ich nochmal ein paar kurze Warm-Up-Fragen. Würdest du dich denen stellen?
Mohamed (00:07:48)
Natürlich, habe ich eine Wahl?
Wolfgang (00:07:50)
Nein. Okay. Kaffee oder Tee?
Mohamed (00:07:58)
Mega Kaffee. Ich liebe Kaffee und ich habe glaube ich so 14 verschiedene Sorten unten aus verschiedenen Ländern. Das erste, was ich mache, wenn ich in ein anderes Land reise, ist erstmal den Kaffee vor Ort testen.
Wolfgang (00:08:06)
Mhm. Okay.
Mohamed (00:08:07)
Und dann nehme ich mir ab und zu auch mal was mit.
Wolfgang (00:08:10)
Gut. Okay, Film oder Podcast?
Mohamed (00:08:12)
Podcast höre ich tatsächlich sehr, sehr viel. Gerade wenn ich so Sachen mache, Rechnungen, so Sachen, die halt irgendwie oder kochen und so. Film gucke ich zu wenig, tut mir aber immer gut. Also gerade so im Flieger. Ich war ja gestern im Flugzeug noch, habe ich mir einen Film anguckt und ja, mache ich viel zu selten.
Wolfgang (00:08:28)
Andere Frage, wofür ich manchmal sterben wollen würde, Burger oder Döner?
Mohamed (00:08:34)
Sehr schwierig, das ist die erste große Schwierigkeit. Ich brauche die Abwechslung aus beidem. Gestern zum Beispiel...
Wolfgang: (00:08:42)
Einen Böner?
Mohamed (00:08:43)
Ja gestern hatte ich einen Döner, obwohl eigentlich tendenziell denke ich eher Burger.
Wolfgang (00:08:47)
Ja.
Mohamed (00:08:48)
Dann sagt der Igel in meiner Hosentasche immer so Döner sind günstiger.
Wolfgang (00:08:51)
Ja.
Mohamed (00:08:52)
Aber so irgendwie brauche ich die Abwechslung, ab und zu. Aber wenn Burger dann halt auch richtig so einen richtig krassen Burger. Die kosten ja dann auch mittlerweile so 15 Euro oder sowas. Aber halt jetzt nicht irgendwie weiß ich nicht. Gibt ja manchmal so Läden, wo du Pizza, Döner, Nudeln und Burger hast, da würde ich mir niemals einen Burger holen. Aber wenn dann so richtig fetten Burger, also da muss ich mich richtig drauf freuen.
Wolfgang (00:09:12)
Ich weiß gar nicht, sagt man den Deutschen nicht nach, dass die so ein bisschen Igel in der Tasche haben?
Mohamed (00:09:16)
Ja, das ist ein Vorurteil. Ne, also es gibt in jeder Kultur Leute, die Igel, Igel in der Hosentasche tragen. Den Deutschen sagt man das häufig nach, weil man dann davon ausgeht, gerade so bei getrennt zahlen und so weiter. Das kommt in anderen Kulturen viel, viel seltener vor als hier bei uns.
Wolfgang (00:09:33)
Weißt du, wie man in Marokko sagen würde? Also Igel in der Tasche, weiß nicht, gibt es in Marokko Igel?
Mohamed (00:09:41)
Marokko - Igel? Ich war ja jetzt vier Tage in Marokko, also ich bin ja gestern wiedergekommen. Ja, ich habe tatsächlich noch nie einen Igel da gesehen. Da war Kameleon, Schildkröten ganz viele.
Wolfgang (00:09:51)
Okay, du hast eine Schildkröte in der Tasche vielleicht. Ah ne, dass passt ja dann auch nicht. Schnappschildkröte. Okay, du meintest, du warst jetzt gerade in Marokko. Was würdest du sagen? Marokko oder Deutschland?
Mohamed (00:10:00)
Ich sage immer, die Frage kannst du dir vorstellen, die kommt nicht ganz selten vor. Ich schlafe immer acht, ah vier Stunden auf dem deutschen Ohr und vier Stunden auf dem marokkanischen Ohr. Also ich fühle mich wirklich fifty-fifty. Ich fühle auch sehr viel. Gerade in den letzten Jahren hat das Marokkanische in mir sehr, sehr stark sich weiterentwickelt. Ich hatte eine Zeit lang sehr, sehr wenig mit der eigenen oder mit der Kultur meiner Eltern zu tun. Jetzt mittlerweile, ich habe ja sogar mal mit einem Podcast gemacht an der Stelle mit Benaissa auf Tamazight, um die Sprache am Leben zu erhalten. Und das waren zwei Leute, die eigentlich selber total gebrochenes Tamazight sprechen. Also sehr viel auch versucht zurückzugeben und sehr viel Identifikation und früher auch weniger nach Marokko gereist. Mittlerweile finde ich das mega wichtig. Aber das Deutsche in mir ist natürlich auch, sorgt immer dafür, dass ich auch wieder zurückkomme aus Marokko und nicht da bleibe.
Wolfgang (00:10:47)
Wo, wo?
Mohamed (00:10:48)
Also beides hat Vor- und Nachteile.
Wolfgang (00:10:51)
Und wo in Marokko hast du Wurzeln?
Mohamed (00:10:53)
Genau, also in Nador, wie die meisten. Also die meisten, Amazighen, nicht alle, aber die meisten, die in Deutschland leben, kommen aus derselben Region. Also kannst du dir vorstellen, wie wenn jetzt ganz viele Menschen aus Bayern irgendwo hin auswandern würden und sprechen dementsprechend alle dieselbe Sprache. Alleine, wenn du mal in Düsseldorf sein solltest, auf der Ellerstraße oder in Frankfurt. Es gibt auch sehr viele marokkanisch stämmige Menschen. Die meisten, da kommst du mit Tamazight ganz gut zurecht. Das ist direkt an der Grenze zu Spanien. Es gibt sogar eine Stadt, Melilia, die ist auf der marokkanischen Seite, aber gehört zu Spanien. Und da fährt man zum Beispiel abends hin, wenn man europäisch einkaufen will oder sonstige Dinge tun will, die in Afrika oder in Marokko nicht so einfach funktionieren.
Wolfgang (00:11:33)
Kann man sagen, dass du einen Migrationshintergrund hast oder ... ist… wird da?
Mohamed (00:11:38)
Ja, mit Migrationshintergrund tun sich viele schwer mit dem Begriff. Migrationsgeschichte oder Einwanderungsgeschichte trifft es aktuell eher, weil die Kritik dahinter ist, dass man sagt, dass es ja schön wäre, wenn es ein Hintergrund wäre, aber für die meisten Leute ist das ja ein Vordergrund. Weil wenn du irgendwie Scheiße baust oder so, dann heißt meistens ja, wegen seinem marokkanischen Geschichte, das ist ein Marokkaner, die machen das immer. Genau, deswegen ja passt Einwanderungsgeschichte und die habe ich laut der Definition ja. Ich bin ja verheiratet, meine Frau hat eine ähnliche Migrationsgeschichte wie ich, also ist in Wuppertal geboren, ich bin in Köln geboren und wenn wir jetzt Kinder hätten, hätten wir die laut der Definition, hätten die keinen Migrationshintergrund mehr. Das heißt in der dritten Generation stirbt es halt aus. Ein Elternteil würde ausreichen, also sprich, wenn ich eine ausländische Frau hätte, und die würde ein Kind kriegen, nehmen wir mal an, ich hätte eine mexikanische Frau, dann hätte das Kind halt nur mexikanische Migrationsgeschichte, auch wenn es El Boujaddaini heißen könnte. Genau.
Wolfgang (00:12:37)
Ja, und hast du das Gefühl gehabt, bei deinen Interviews, die du geführt hast, hat das geholfen oder war das eher kontraproduktiv?
Mohamed (00:12:43)
Also generell für die Arbeit, die ich mache, interkulturelles Training oder Workshops und so, habe ich schon so eine Art Vertrauensvorschuss, womit ich aber ganz gut leben kann, weil erstens hast du in ganz, ganz vielen anderen Sachen einen „Vertrauensnachschuss“. Und zweitens ist es ja wie auf der Bühne auch, am Ende kannst du halt nichts verstecken so dauerhaft vor allem für langfristige Folge. Ein krasses Beispiel, ein Freund von mir ist schwarz und macht Vertriebstrainings und Führungskräfte-Trainings und der kriegt dauernd Anfragen nach Anti-Rassismus-Trainings und die leitet er dann einfach blind an mich weiter. Wir sind auch schon mal zusammen im Podcast gelandet darüber, haben wir mal gesprochen, weil für mich ist das natürlich ein Jackpot. Aber ich finde es krass, dass er wegen seiner Hautfarbe immer für den Experten gehalten wird. Der sagt immer, das Einzige, was mich mit dem Thema verbindet, ist, dass ich selber ab und zu rassistisch angegriffen werde. Aber genau, klar, du hast eine Art Vertrauensvorschuss, aber das muss ich natürlich auch erst mal beweisen, weil wenn du vom Thema halt wenig Ahnung hast und das ist ein sehr komplexes Thema, dann fällt das auch schon irgendwann früher oder später auf.
Wolfgang (00:13:46)
Und wer bucht dich dann im besten Fall? Oder wie kommst du an Kunden? Was sind das für Leute, die ein interkulturelles Training benötigen, haben wollen?
Mohamed (00:13:55)
Ja, also benötigen könnte ich eigentlich die Gegenfrage stellen, wer benötigt es nicht? Weil es gibt so vieles zu dem Thema Diskriminierung, was wir, also wo ich ja auch noch täglich dazulerne. Also ein großer Teil meiner Arbeit ist es ja auch selber mich abzudaten, auf dem Laufenden zu halten, zu lesen und und und. Ich lese wahnsinnig viel zu den Themen. Insofern kann man sich ja vorstellen, wie das dann für jemanden ist, der sich so gar nicht damit auseinandersetzt. Genau, und wer mich aber häufig bucht, ist immer so eine Budget- klassische Finanzfrage. Schulen haben zum Beispiel gewisses Budget für solche Trainings und Workshops. Das ist nicht besonders hoch, aber die versuchen es halt eher dann mit der Masse. Das heißt, da mache ich auch viel an Schulen. Dann habe ich halt vielleicht jetzt nicht den hohen Tagessatz, aber ich bin dann halt so eine Woche oder zwei Wochen am Stück. Letztens hatte ich eine ganze Woche, da hatte ich zehn Workshops. Also immer jede Gruppe quasi mit 30 Schüler*innen. Wenn man das hochrechnet, wie viele Leute ich da quasi in einer Woche unterrichtet habe. Manchmal sind es Behörden, häufig, weil ich auch selber aus einer Behörde komme oder aus dem öffentlichen Dienst. Das heißt, da ist es natürlich naheliegend, dass ich selber weiß, wie der, wie es im Alltag ist, was umsetzbar ist und was nicht. Und das sind auch die Kontakte natürlich. Und ab und an kommt mal was aus der freien Wirtschaft. Aber da ist ja halt auch kein großer politischer Druck hinter. Das ist ja nochmal was anderes, wenn eine Behörde zum Beispiel, die muss ja auch was zu dem Training oder zum Thema machen. Glücklicherweise mein ich. Und so, keine Ahnung, ich hatte letztens bei einem Telekommunikationsanbieter einen Vortrag. Sowas kommt halt auch immer mal wieder so.
Wolfgang (00:15:29)
Aber ich meine, wenn du jetzt mal mich als Beispiel nimmst, ich habe gefragt, ist dieses Wording Migrationshintergrund, ist das so korrekt oder wie ist das eigentlich? Ich finde, in solchen Dingen geht es ja irgendwie schon los. Ich merke selber, da ist mein Wissenstand echt so unterirdisch.
Mohamed (00:15:47)
Das erste ist ja, was du gerade angesprochen hast, ist ja, du hast mich drauf angesprochen, ist Migrationshintergrund, passt das eigentlich? Ist das aktuell, ist das nicht aktuell? So sich diese Frage zu stellen, ist ja schon mal so, da bist du ja schon mal ganz vielen Menschen weit voraus. Und noch wichtiger als jetzt, also das meiste, was häufig vorkommen würde, wäre ja, du sagst irgendwas, was man nicht mehr sagt oder was nicht aktuell ist. Und ich habe halt die Möglichkeit, das entweder zu ignorieren oder dich darauf anzusprechen. Wenn ich dich darauf anspreche, ist dann eigentlich die wirklich wichtigere Frage, wie du damit umgehst. Weil, wenn man weiß, privilegiert ist, dann auf den ersten Blick hast du jetzt keinen Vor- oder Nachteil daraus, ob du dich jetzt mit dem Thema auseinandersetzt oder nicht. Also es hat ja für dich keine praktischen Vor- oder Nachteile. Du könntest ja auch sagen, mit dem Thema, ich werde nicht diskriminiert, ich bin ein Mann, deutschklingend, deutsch aussehend. So, warum sollte ich mich damit auseinandersetzen? Auf der anderen Seite darf man halt nicht vergessen, was das für eine Chance ermöglicht, weil das ist das, was vielen Menschen halt nicht klar ist. Auch wo wir gerade gesprochen haben über über Firmen oder was das wahrscheinlich auch an Umsatz erhöht und generiert, wenn du mit 40 verschiedenen Nationen zusammenarbeitest. Du kannst natürlich sagen, jeder macht so seinen Bereich und die sollen vielleicht mal irgendwie quatschen. Aber das ist ja alles sehr, sehr oberflächlich. Du kannst aber auch irgendwie dafür sorgen, dass wenn man mehr Verständnis füreinander hat, die Leute auch außerhalb ihrer Verpflichtung miteinander gerne abhängen, weil die das Gefühl haben, die werden von der anderen Seite besser verstanden. Und das ist halt die Chance, die da hinter steht. Und die gilt aber auch in der freien Wirtschaft, wie im öffentlichen Dienst, wie überall. Und das macht es auch so schwierig, weil wir haben jetzt nichts groß Messbares. Eigentlich theoretisch schon, aber da müsste man tiefer reingehen. Theoretisch könntest du messen, wie viele bewerben sich mit Migrationsgeschichte bei uns, wie viele Leute gehen vielleicht und so weiter. Das heißt, wie weit sind wir interkulturell gut aufgestellt oder auf welchen… Wichtiger ist ja nicht mal die Zahl der Leute, die bei uns arbeiten, sondern in welchen Positionen sitzen die? Genau. Und wie ist die Zufriedenheit? Und das ist auch ein bisschen mein Ansatz, warum ich mich ein bisschen von interkulturellen Themen alleine gelöst habe. Weil das kannst du auf verschiedene Diskriminierungsformen übertragen. Das kannst du auf die Inklusion von behinderten Menschen übertragen. Das kannst du auf das Thema Sexismus übertragen, auf alles Mögliche, Antisemitismus und und und. Wenn du das hinbekommst, dass Mitarbeitende bei dir sich wohlfühlen voll und ganz und nicht das Gefühl haben, die müssen an der Tür irgendwie ihre Persönlichkeit ablegen, dann hast du einen kaum messbaren Wert in deiner Firma, in deiner Behörde oder sonst irgendwo, in deiner Schule, wo auch immer. Und das habe ich halt häufig auch beobachtet. Meine Eltern sind zum Beispiel als Gastarbeiter vor 60 Jahren nach Deutschland gekommen. Wir haben dieses Jahr 60 Jahre Anwerbeabkommen, also Deutschland mit Marokko. Das heißt, vor 60 Jahren kamen die ersten Gastarbeiter. Und so kam es ja dann zu Parallelgesellschaften, weil du nicht das Gefühl hast, du wirst von der anderen Seite respektiert und verstanden. Also machst du dir eine eigene Bubble auf, wo du respektiert und verstanden wirst. Und so hast du dann irgendwann einen Stadtteil, ist jetzt nicht so krass, aber Wedding oder... Du weißt, was ich meine, so in Berlin ist es ja sehr, sehr klar. Es gibt halt Regionen, wo der Anteil an Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte viel, viel höher ist als woanders. Und das kommt ja nicht von irgendwo her, sondern hat ja auch sehr viel damit zu tun. Wirst du respektiert, wird deine Religion respektiert, deine Herkunft, deine sprachlichen Barrieren und und und.
Wolfgang (00:19:07)
Wie kann ich mir denn so ein, ja wenn du gebucht wirst von Schulen zum Beispiel, wie kann man sich denn sowas vorstellen, was ist in deinem quasi Angebot, Portfolio, Dienstleistung, wie läuft so was ab?
Mohamed (00:19:19)
Ja, also ich habe, ich versuche irgendwann jetzt auch mal so eine Art Flyer zu machen für so ein Standardpaket, weil die Frage kommt sehr, sehr häufig, was kann man machen, aber am liebsten ist es mir, wir führen so ein Gespräch wie jetzt gerade zum Beispiel. Ich will halt wissen, was ist der Hintergrund, wie kommt es zu dieser Idee, einen Workshop an unserer Schule durchzuführen, was ist das Besondere an eurer Schule und wie sind die Rahmenbedingungen auch so. Von wie vielen Schüler*innen reden wir, was haben wir für ein zeitliches Volumen und dann passe ich halt dementsprechend, mache ich dann einen Vorschlag oder ein Angebot. Wenn jetzt die Anfrage lautet, wir haben 30 Schüler*innen und wir haben eine Stunde Zeit, dann kann ich natürlich nicht sagen, ich mache jetzt einen Workshop und die werden das und das und das mitnehmen, sondern es hängt immer so ein bisschen ab, auch vor allem gerade im Schulfeld, von welcher Altersgruppe reden wir hier eigentlich? Ich kann natürlich mit Grundschulen nicht das Gleiche machen wie mit einer Oberstufe oder so. Ja. Und so, also eigentlich läuft es immer gleich, dass wir erst mal so ein Gespräch führen. Und dann mache ich mir ganz viele Notizen und anhand der Notizen mache ich dann ein Angebot.
Wolfgang: (00:20:17)
Das kann dann auch, wenn du sagst zum Beispiel nur eine Stunde vor 30 Leuten so ein Impulsvortrag sein, so die… zum Beispiel: das ABC des...
Mohamed (00:20:28)
Zum Beispiel. Mir ist es immer wichtig, das auch realistisch zu machen. Zum Beispiel an Schulen vor allem. Gerade nach 2015, 2016 hast du halt häufig auch Schülerinnen dabei, die nicht Deutsch reden können. Und dann überlege ich halt, wie man es spielerisch so vermitteln kann. Also das sind auch Infos, die für mich wichtig sind. Ich habe zum Beispiel mal einen Workshop gemacht, der ging irgendwie fünf Stunden. Und die waren aber irgendwie mit sieben Sprachen. Und was willst du ohne Dolmetscher da groß machen? Also da müssen wir auch realistisch bleiben und sagen, das Ziel ist, dass die so ein bisschen was mitnehmen. Zum Thema, genau. Umgekehrt ist es halt, wenn das gut organisiert ist von der Schule, von der Seite aus. Du auch das Gefühl hast so, das wird dort auch dementsprechend gut propagiert. Also ernst genommen und so. Dann nachgearbeitet ist mir zum Beispiel wichtig, weil häufig hast du an Schulen wenig Zeit, viel, große Klassen und musst irgendwie was vermitteln und dann ist mir zum Beispiel wichtig, dass ich denen auch sage, wie die das im Unterricht nochmal nacharbeiten können, nochmal auf das Thema eingehen können. Genau. Dann hast du tatsächlich gute Rahmenbedingungen.
Wolfgang (00:21:30)
Und deine Firma heißt interespect-Training?
Mohamed (00:21:34)
Interespect-Training, genau. Wir haben ja gerade das Thema gehabt mit der Urkunde. Ich habe mir das Wort 2016 beim Deutschen Patentamt gesichert, das ist die Urkunde quasi dazu, weil ich gesagt habe, was will ich eigentlich mit dem Training? Und interespect ist eine Wortkreation zwischen zwischenmenschlich und Respekt, weil ich halt festgestellt habe, wir müssen erst mal lernen, bevor wir über interkulturelle Unterschiede reden, uns erstmal zu respektieren. Du musst nicht verstehen, warum jemand was macht, sondern erst mal musst du es respektieren und das ist das, wo es bei vielen Leuten schon scheitert. Erstmal musst du respektieren, dass ich vielleicht einen bestimmten Glauben habe, dass ich zu bestimmten Zeiten nichts esse, nichts trinke oder bete oder sonst was. Erstmal musst du respektieren, dass ein Mensch, der homosexuell ist, nicht eine Gefahr für dich darstellt. Und wenn du das alles erst mal nur respektierst, dann können wir quasi auf die nächste Ebene gehen. Und so habe ich halt quasi dieses Wort mir ausgedacht. Oder es kam plötzlich so ein Geistesblitz, mir das gesichert. Und das ist so Dreh und Angelpunkt hinter dem, was ich mache. Also in erster Linie auch Respekt.
Wolfgang (00:22:25)
Aber jetzt kannst du mal kurz ausholen. Was hat es mit dem Comedy Background auf sich bei dir?
Mohamed (00:22:42)
Ja, ja, ich habe vor etwas mehr als einem Jahr, vor einem Jahr und drei Monaten, um genau zu sein, da habe ich meinen ersten Comedy-Auftritt gehabt. Aufmerksam auf Comedy bin ich geworden durch erstmal selber irgendwie konsumieren und gucken, wie viele. Und dann habe ich halt noch mittlerweile einen guten Freund, Benaissa, der auch guter, bekannter Comedian ist, ja immer so privat ein bisschen mehr begleitet, mal auf Shows gegangen und und und. Und dann habe ich irgendwann festgestellt, dass es eigentlich ja auch sehr, sehr gut zu dem Training passt, was ich mache. Es ist nicht zu verwechseln, es sind zwei unterschiedliche Dinge, aber die ergänzen sich sehr, sehr gut. Gerade wenn man den Anspruch hat, man hat ja dann auch irgendwann so, was will ich eigentlich mit Comedy erreichen, so was ist mein Ziel. Und ich will halt solche Antidiskriminierungsthemen, die häufig sehr, sehr heikel sind, von denen lassen die Leute häufig die Finger lieber und so. Die versuche ich halt… wenn man die… Wenn man es hinbekommt, das kurz und knackig auf humorvolle Art anzusprechen, ist es schon so ein cooles Ziel. Und, genau, dann habe ich halt einfach angefangen, meinen ersten Spot gehabt vor eineinhalb Jahren. Und seitdem hat es sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch festgestellt, dass ich mit dem einen oder anderen Bit, so nennen wir es ja, oder halt Gag, in der normalen Sprache, manche Themen anspreche. Ja, und deswegen…
Wolfgang (00:24:06)
Aber warst du denn schon immer…
Mohamed (00:24:07)
…ergänzt sich das sehr, sehr gut.
Wolfgang (00:24:08)
Warst du denn schon immer irgendwie ein lustiger Kautz? Oder wie ist das entstanden? Hat einer gesagt, man ey, ich habe immer Muskelkater im Bauch, weil wenn ich mit dir zusammen bin, geh auf die Bühne?
Mohamed (00:24:18)
Ja, das ist natürlich der Klassiker. Also ich hatte zum Glück irgendwie nie das große Problem oder habe es bis heute kaum mit Lampenfieber, wenn ich auf eine Bühne gehe oder so. Es ist nicht so, dass ich die Bühne unbedingt brauche. Also es ist klar, es ist cool, wenn man Applaus kriegt und so. Aber ja und Humor war schon immer für mich ganz, ganz, ganz wichtig. Und natürlich auch in meinem Umfeld. Also ich lache mega gerne mit Freunden. Das ist so das Erste. Also da ist auch die Gag-Dichte sehr, sehr hoch, wenn man sich trifft. Und genau, deswegen war das schon immer so ein Ding, dass man hier oder da... Aber ich kenne auch Leute, die in meinem engsten Freundeskreis, finde ich, viel witziger sind als ich. Aber es ist dann nochmal eine andere Sache, das auf eine Bühne zu bringen, in Stories zu verpacken oder so ein Set zu schreiben. Also das sind halt zwei unterschiedliche Sachen. Also es ist, ja… Also es ist auf jeden Fall wichtig, dass man schon irgendwie eine Verbindung zu Humor hat, wenn man auf die Bühne will. Weil sonst ist es echt nur Arbeit.
Wolfgang (00:25:14)
Ich habe letztes Mal mit jemandem gesprochen und der meinte, er schafft es oder er glaubt, dass die meisten Leute nur schaffen, so in zwei Dingen wirklich gut zu sein. So er meinte halt, irgendwie du hast einmal Familie, also gut sein in Familie, das ist alles unter einen zu gut zu bekommen. Und dann noch beruflich und dann wird es nachher schon wieder langsam dünn, wenn du noch was Drittes dazu holst. Wie schaffst du das alles unter einem Hut zu bekommen? Ich meine, du hast eine Frau du hast Familie, du hast die ganzen verschiedenen Eckpfeiler und hast du so das Gefühl, dass da manchmal ein bisschen was auf der Strecke bleibt, wo du sagst, Mensch, da hätte ich eigentlich mal wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Ich spreche jetzt hier nicht von privatem.
Mohamed (00:25:54)
Ich wollte grad sagen, gut, dass man meinen Bauch nicht sieht, dann wüsstest du ja, was auf der Strecke bleibt. Ne. Ja klar, meine Frau ist zum Beispiel auch ein wichtiger, wichtiger Anker. Ich glaube, ohne die würde ich viele Sachen gar nicht schaffen, weil das natürlich dich auch zeitlich beansprucht und so weiter. Ich habe jetzt zum Beispiel… heute gebe ich nochmal irgendwie am Nachmittag drei Stunden Workshops, wo sie frei hat, wo natürlich bei dem schönen Wetter auch draußen irgendwas, also gehört auch viel Geduld zu und und und. Ich glaube, es gibt mir sehr viel wieder, weil durch die Sachen, weil ich ja auch irgendwie, also gerade beim Thema Diskriminierung, es ist halt nicht irgendwie ein Standardthema für mich, sondern es ist...
Ich habe ja auch eine Vision dahinter und ich will ja auch das maximale. Ich habe ja auch erzählt, dass ich ein bisschen also schon relativ religiös bin. Und ich glaube, dass du halt auch bestimmte Talente halt kriegst, um damit was zu machen. Und wenn ich irgendwann mal am Tag des Jüngsten Gerichts gefragt werde, was ich gegen das Thema Diskriminierung gemacht habe, dann kann ich, ist im Islam zum Beispiel auch ein sehr wichtiges Thema, sehr, sehr hoch angesetzt. Dann kann ich sagen, ich habe das und das und das gemacht mit dem Talent, was du mir quasi gegeben hast. Und ja, insofern. Genau, ist das schon mal so ganz gut und es verträgt sich. Weil das Ding ist halt, man hat häufig oder ich höre von vielen Leuten, die den Konflikt haben mit gerade so in der Behörde und Selbstständigkeit nebenbei. Aber ich kapiere den nicht, weil wenn man es mal andersherum betrachtet, was ist denn der Nachteil daraus, wenn du einen Mitarbeiter hast, der neben der Arbeit noch andere spannende Themen macht, es sei denn der überlastet sich oder so. Das ist jetzt ein anderes Thema. Wenn du das Gefühl hast, der kommt irgendwie völlig unausgeschlafen zur Arbeit, nicht konzentriert und und und. Aber was spricht denn dagegen…
Wolfgang (00:27:32)
Gar nichts.
Mohamed (00:27:33)
…, dass deine Mitarbeiter noch nebenbei was machen im Podcast oder so? Das ist halt so dieses altertümliche „öffentliche Dienst-Denken“, so Beamter ist Beamter und bla bla bla. Da musst du natürlich eine Unterscheidung machen zwischen dem verbeamteten Wolfgang und dem privaten Wolfgang. Aber ich glaube früher oder lang kommst du eh nicht dran vorbei. Genau, von daher finde ich, also nicht nur, dass sich das ergänzt, sondern früher oder später musst du es eh machen. Ja genau.
Was dazu gehört ist natürlich, um nochmal auf die Frage zurückzukommen, ist ein sehr, sehr gutes Zeitmanagement und immer Anspannung - Entspannung finde ich immer wichtig. Das heißt, ein Tag, wo du jetzt besonders viel gemacht hast oder ab und zu kommt es ja mal vor, dass ich jetzt Samstag mal irgendwie unterwegs bin. Dafür habe ich dann halt den Montag, da mach ich halt weniger, beispielsweise nach einem Podcast, nichts mehr und nutz den zur Entspannung.
Wolfgang (00:28:21)
Anspannung - Entspannung finde ich gut. Ein guter Punkt. Du hast gesprochen, du liest viel, du beschäftigst dich viel mit Themen, aber das ist ja, das hat ja alles was… du hast das Wort „lebenslanges Lernen“ benutzt. Das würde ich jetzt mal dazu einordnen. Aber wie lernst du? Also wenn ich mich mit einem Thema auseinandersetze, mit einem neuen Thema, ja dann lese ich irgendwie, dann google ich, dann hole ich mir mal ein Buch oder ein Hörbuch. Gehst du da irgendwie strukturierter ran oder ist es auch so mehr so Gießkannenprinzip und schaust was, konsumierst du erstmal viel und schaust was hängen bleibt?
Mohamed (00:28:55)
Ja. Also tatsächlich manche Sachen finde ich, es gibt ja mittlerweile, es gibt ja wirklich alles. Du kannst ja zu jedem Thema Podcast hören, du kannst jetzt, es gibt ja so einfach Wissen sich anzueignen, du brauchst ja quasi fast gar keine Ausbildung mehr. Du kannst ja YouTube gucken und und und. Was meine präferierte Variante ist, ist tatsächlich mit Experten darüber sprechen. Weil ich kann ja auch sehr viel geben und so umgekehrt kann ich auch von Leuten viel lernen. Wie jetzt zum Beispiel, du hast ja eben auch gehört, ich habe dich direkt gefragt, wie nimmst du das auf? Welches Programm? Hast du gute Erfahrungen, hast du schlechte Erfahrungen? Warum soll ich das googeln und die ersten zehn Sachen, die mir angezeigt werden, austesten, wenn du mir sagen kannst, die und die Sache hat den und den Vorteil und die Sache hat den und den Nachteil. Ich frage dich, dann frage ich fünf andere, die auch ein Podcast haben und dann kann ich ja, wenn ich dreimal das Gleiche höre, kann ich ja ungefähr abschätzen: okay, mit welchem Thema lohnt es sich, sich mehr zu beschäftigen. Und so, ich glaube, es gibt kaum ein Wissen, was man eher, also was... besser und einfacher oder sicherer ist als das eines Fachexperten, eines Menschen generell. Umgekehrt gebe ich auch vielen Leuten, die sich jetzt selbstständig machen wollen oder freiberuflich gerade in den Anfängen, gerade so aus der Schule oder Studium raus sind, versuche ich halt auch zu erklären, was bei mir sich als gut rausgestellt hat und was vielleicht man überspringen könnte.
Wolfgang (00:30:19)
Also ich habe das Gefühl, dass Lernen für viele so einen negativen Touch hat. Das hat was mit Arbeit zu tun, mit Aufwand, mit erstmal zurückstecken. Ich sehe das aber... Ich muss sagen, früher war ich auch wissensdurstiger als heute. Man hat sich so eine Art Ist-Stand angeeignet, mit dem man ganz gut klarkommt. Und dann kommt man selber manchmal in so eine Phase, brauche jetzt da so Arbeit reinstecken, weil ich habe ja schon einen guten Ist-Stand. Aber bei dir hört sich das an, du bist da sehr, sehr wissenshungrig, wissensdurstig. Was fällt dir zu dem Wort oder dem Begriff Lernkultur, interkulturelles Lernen ein? Also wie verknüpft man das? Was bedeutet das für dich?
Mohamed (00:31:03 )
Also es gibt ja dieses Zitat, ich glaube, das nennt sich Wissen ist nur Macht, wenn man es anwendet oder so. Oder nur angewandtes Wissen ist Macht. Also darum geht es ja in erster Linie. Wir sind ja in einer Zeit, wo sehr, sehr viel konsumiert wird. Du kannst die Dinge halt nebenbei laufen lassen, mit einem Ohr hinhören oder du kannst dich auch… das macht einen riesen Unterschied, ob ich jetzt ein Buch lese und mir dazu notiere oder was rausschreibe, überlege was habe ich jetzt daraus verstanden oder ob ich irgendwie einen Podcast nebenbei laufen lasse und das macht halt für mich schon mal einen wesentlichen Unterschied. Ich kann mir vorstellen, dass der Wissensdurst auch geringer wird wenn du irgendwann übersättigt bist. Wenn du permanent, wir kennen das ja so beim Essen: so ich kann jetzt entweder drei Mahlzeiten ordentlich essen - ich kann aber auch immer zwischendurch snacken und da snacken und da snacken, aber dann habe ich gar keine Mahlzeit eigentlich gegessen. Und so machen wir es ja auch. So mache ich es ja auch häufig auch oder ertappe ich mich dabei, dass ich quasi die ganze Zeit, egal was ich mache, beim Zähneputzen, Podcast, da, da, da, da, da, da, dass ich irgendwann auch gar keinen Bock mehr habe, was nochmal neu anzueignen. Von daher finde ich das, glaube ich, ein ganz, ganz wichtigen Aspekt, dass man das nicht nebenbei… Interkulturelles Lernen. Also wenn man es darauf bezieht, wie man sich quasi interkulturell weiterbildet, auf verschiedene Kulturen und so weiter, kann ich nur absolut empfehlen zu reisen. Und zwar nicht an die Orte, wo man ein Oktoberfest angeboten bekommt, wenn man im anderen Land ist, wirklich so weit wie es geht ins Dorf rein. Und dann aber auch nicht irgendwie die Leute, ja so tourimäßig halt irgendwie voll ausnutzen, sondern mit Respekt, da sind wir dann wieder bei interespect, wird man schon hier oder da mal eingeladen, wenn man sich nett verhält. Und dann aber auch mit der entsprechenden Anerkennung. Ja, so quasi von anderen Kulturen zu lernen. Ja, was mir so irgendwie direkt in den Kopf geschossen ist, wo ich jetzt auch gerade in Marokko war, ist halt diese präferierte Variante zum Lernen in anderen Kulturen, wo ich gesagt habe, bei mir funktioniert es häufig durch andere Menschen. In Kulturen, wo sehr viel Kommunikation betrieben wird, wo man sehr viel in Austausch, wo man weniger am Handy, jeder für sich sitzt, sondern mehr so in Cafés, sich unterhält und und und. Da passiert auch sehr, sehr viel Interaktion und da lernt man auch sehr, sehr viel voneinander.
Hat natürlich beides, Fluch und Segen. Also Segen ist es halt, wenn man wirklich mit Leuten sich austauscht, die ja irgendwie auch mit ihrem Wissen vorsichtig umgehen und nicht so gefährliches Halbwissen raushauen. Fluch ist natürlich, wenn du quasi alle Gerüchte aufsaugst, die irgendwo rumlaufen und daraus dir dann entsprechend ein Bild kreierst. Genau. Ja, aber man kann alleine schon über Kommunikationsart und Weisen über das, worüber wir eben gesprochen haben, Nähe und Distanz, über direkte Kommunikation, indirekte Kommunikation, Zeitmanagement. Da gibt es natürlich riesige Unterschiede in verschiedenen Kulturen. Zeitmanagement in Deutschland ist ja ein sehr, sehr heikles Thema, hartes Thema.
Wolfgang (00:33:50)
Ja, total.
Mohammed (00:33:51)
Wenig Spielraum.
Wolfgang (00:33:52)
Ja, gar keinen.
Mohamed (00:33:53)
In anderen Kulturen… es ist halt so. Oder was interessant ist wirklich so...
Wolfgang (00:33:57)
Fünf Minuten vorher ist gut.
Mohamed (00:33:58)
Ja, was tatsächlich interessant ist, bei der direkten Kommunikation zum Beispiel, wir sind ja in Deutschland eher gewohnt, direkt zu kommunizieren. In anderen Kulturen eher indirekt durch die Blume. Auch das Thema, worüber wir eben geredet hatten, kurz so mit.. was erwarte ich oder von der anderen Seite. Tatsächlich ist fast die ganze Welt anders als wir in Deutschland. Wir sind eher die, die direkt kommunizieren und der größte Teil der Welt kommuniziert eher indirekt, also durch die Blume. Wir sind eher so erst das Geschäftliche und danach gucken, ob man noch eine Beziehung aufbaut, ob man noch was trinken geht. Und in anderen Kulturen ist eher erstmal was trinken, Tee trinken oder was auch immer trinken. Okay. Und dann gucken wir mal, ob wir zusammenkommen. Ja.
Wolfgang (00:34:38)
Ja also, ich muss sagen, ich tu mich da auch ganz oft sehr schwer mit, wenn mir jemand was durch die Blume sagen will. Ich bin so ein Freumänt[sic!]. Ich sag, komm, sag mir doch, was willst du jetzt von mir? Oder war es jetzt scheiße, war es gut? Ich kann damit schon umgehen. Besser sogar, als wenn man mir das so ein bisschen zuerst die ganzen guten Dinge sagt, um dann eigentlich zu...
sich die Möglichkeit frei zu räumen, zu sagen, was scheiße war. Und sagst… ich fange doch einfach mit dem schlechten einfach an.
Mohamed (00:35:04)
Also du kannst dir vorstellen, wie das... Also ich bin auch relativ direkt, relativ deutsch zivilisiert aufgewachsen. Aber du kannst dir vorstellen, wie ungewohnt das zum Beispiel für meine Eltern ist, wenn die das beobachten oder sehen, wie direkt ich teilweise mit Leuten aus hohen Positionen kommuniziere. Also ich kann mich erinnern, dass ich mal mit einem Integrationsbeauftragten unserer Stadt sehr offen und direkt kommuniziert habe, weil es ging gerade um ein Projekt, was wir gerade am Laufen haben. So ja, pass auf, dann machst du das und ich mache das und das und das streichen wir und so. Da habe ich erstmal einen richtigen Anschiss von meinem Vater bekommen, wie ich denn mit dem Integrationsbeauftragten rede. Hallo, Hierarchie und so. Es ist halt interkulturell voll unterschiedlich. Also manchmal kriegen meine Eltern mit wie direkt ich auch mit Ärzten oder so rede. Was dann aber auch irgendwie für beide okay ist, in Ordnung ist. Aber für die ist das halt so ungewohnt. Ja.
Wolfgang (00:35:51)
Mohamed, wir gehen langsam in Richtung Ende. Für mich ist es total spannend. Aber jetzt nochmal so zum Schluss. Leute, also… für wen würdest du sagen, ist interespect-Training, interkulturelles Training sinnvoll? Wer sollte sich damit beschäftigen? Ganz besonders, du hast ja gesagt, ja, es kommt immer drauf an, was man jetzt gerade so vorhat. Aber gibt es da auch so eine generelle Aussage? Eigentlich jeder? Für wen ist es denn nicht gut? Das meintest du ja schon.
Mohamed (00:36:23)
Ja, ja, genau, genau. Das ist so das erste, was ich dazu sagen würde. Ich kann es ja ein bisschen so versuchen, aus den Erfahrungen, die ich bisher gesammelt habe, wer vielleicht den größten Nutzen davon hatte. Ich glaube, je höher oder je mehr Macht du hast, desto wichtiger ist es, dich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, damit du die Macht, damit du die Macht nicht missbrauchst. So quasi. Das heißt, wenn du zum Beispiel in einer hohen Führungsposition bist oder sogar CEO oder was weiß ich was und du hast viele Mitarbeitende unter dir, dann ist es umso wichtiger, dich damit auseinanderzusetzen, damit du auch nicht Dinge machst oder in Fallen tappst, in die man automatisch tappt, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt. Ich gebe dir mal ein paar Fallen, das zum Beispiel, was häufig viele Menschen machen, ist, Menschen, die so ausschauen wie ich oder so Namen tragen, als Token zu benutzen. Das heißt, wir haben jetzt irgendwie eine Diversity-Kampagne und ich werde ungefragt sofort aufs Poster gesetzt. Oder ich werde sofort gefragt, wenn es um Ramadan geht, als allererster. So was machen wir jetzt? Und darauf werden Leute wie ich zum Beispiel auch nicht nur ab und zu keine Lust haben, sondern es ist auch eine sehr, sehr hohe Verantwortung mit. Das heißt, wenn ich jetzt irgendwas sage, dann spreche ich hier quasi gerade für die ganze Migrationsgeschichte dieser Behörde oder dieses Arbeitgebers und die kannst du als Vorgesetzte, Vorgesetzter nicht mir einfach so übertragen. Und um nicht in solche Fallen rein zu tappen, ist es natürlich wichtiger, gerade an Führungskräfte. Ich mach zum Beispiel so Workshops auch für Ausbilder in dem Ausbildereignungslehrgang, finde ich auch extrem wichtig. Für Leute, also immer da, wo Macht auch eine Rolle spielt. Für Lehrer, Lehrerinnen an Schulen, die haben auch eine Macht gegenüber Schüler*innen. Überall da ist es, wenn ich jetzt sagen müsste, so ganz, ganz dringend. Genau. Häufig hat man aber leider in der Realität die Leute da sitzen, die es eigentlich am wenigsten benötigen,
Wolfgang (00:38:21)
…,die Bock aufs Thema haben, die eigentlich schon ein gutes Grundwissen haben.
Mohamed (00:38:25)
Ja genau. Und dann bist du schon auf einer anderen Ebene unterwegs, aber ist jetzt auch nicht schädlich. Also auch die Leute nehmen viel mit.
Wolfgang (00:38:29)
Aber du hast ja schon sehr, sehr viele Tipps auch so zwischen den Zeilen so mitgegeben. Ich mein so: „Reiß doch einfach mal was“ und „geh nicht ins Tourizentrum, sondern geh ins Landesinnere“ und „sprich mit den Leuten und so“, aber generelle Tipps, wo jetzt nimm mal Leute, die jetzt vielleicht noch kein Training bei dir besucht haben und da… ,die es vielleicht nötig hätten, mal jetzt den ein oder anderen Tipp nochmal mitzunehmen. Was würdest du denen empfehlen zum Thema interkulturelles Training?
Mohamed (00:38:57)
Du kannst erstmal so einen Ist-Zustand von dir selber mal feststellen. Du kannst dich erstmal hinsetzen und überlegen, mit wie vielen diversen Menschen habe ich eigentlich in meinem Umfeld zu tun. Und ich rede jetzt hier nicht nur mit Menschen mit Migrationsgeschichte, sondern auch mit Menschen unterschiedlicher Religion, unterschiedlicher Migrationsgeschichte, unterschiedlich vielleicht auch mit behinderten Menschen, mit homosexuellen Menschen und so weiter. Wie viele habe ich eigentlich in meinem näheren Umfeld? So wie werden die dargestellt? Ist auch was, was du auch so in der Selbstanalyse machen kannst. Du kannst dir jetzt zum Beispiel Werbung angucken, Fernsehen, Filme. Alles kannst du auch selbstkritischer dir anschauen, wenn du mal überlegst, wie werden die Menschen dargestellt? Werden die so als die Armen? Werden zum Beispiel schwarze Menschen als eher weniger gebildet dargestellt und die weißen Menschen als eher schlau? Vor allem auch gerade, und da finde ich dann mit dem Bezug zu Kindern wieder, wie werden die auch in Kinderfilmen, in Comics und so weiter dargestellt, kannst du da die ganze Disney-Reihe einmal durchgucken. Und dann der zweite Schritt, wo du dann in Interaktion mit Menschen trittst, finde ich ist halt auch wichtig, dass du natürlich wieder auf respektvolle Art und so, wie ein bisschen, wie es in den Wald schallt, so schallt es auch wieder raus, dir erstmal die Geschichte dieser Menschen anzuhören. Das heißt erstmal eine Basis, eine Beziehung schaffen, damit ein Mensch sich auch öffnen kann und dir erzählen kann, wie es wirklich ausschaut. Nicht dahingehend irgendwie mit dem Finger und jetzt erzähl mir alle deine 15 Diskriminierungserfahrungen, die du im Leben erlebt hast. Sondern irgendwie erstmal eine Basis schaffen und dann darüber ins Gespräch kommen. Das braucht halt Zeit. Das ist halt so, das Schwierige an dem Thema ist halt, wir sind halt häufig in Deutschland gewohnt, wir kriegen so Quick-Infos und das und das und das funktioniert und das nicht. Aber es braucht halt Zeit, es braucht ab und zu auch Fehler, braucht es, damit man wieder was hat, worüber man reden kann. Und es braucht erstmal so eine Basis des Zuhörens auch. Und wenn man das irgendwie schafft, dann hört man auf einmal Sachen nicht nur raus, sondern auch überhaupt Sachen, die man vorher nicht für möglich gehalten hat. Und dann begeben sich auch Freundschaften, Arbeitsbeziehungen oder sonst irgendwas auf eine andere Ebene. Das heißt, wenn ich jetzt mal Vorgesetzter bin und dann noch mal so oder Lehrkraft oder sonst was, merke ich auf einmal, da kommt ein Schüler oder eine Schülerin auf mich zu und erzählt mir Dinge, die sie sich in 15 Jahren nicht getraut hat, mir zu erzählen. Nehmen wir mal das Thema Beten hier, worüber wir geredet haben. Auf einmal erzählt mir mein Mitarbeiter, der betet seit 20 Jahren unten im Parkhaus. So und das ergibt sich aber erst mit der Zeit, wenn ich das Gefühl vermitteln kann, wirklich ich verurteile dich nicht, weil dafür haben Menschen viel zu viel Verurteilung schon erlebt, als dass sie jetzt sofort mit der Tür ins Haus fallen würden. Ich weiß, das ist nicht so konkret, aber das ist halt so der Lauf der Dinge. Wie sieht die perfekte Führung aus? Kann man auch nicht so einfach beantworten. Man braucht halt sehr viel Beziehungsarbeit und ja, vor allem Respekt, wenn man erstmal versucht, wirklich so in welchen Weisen, auch wenn mal was schiefgeht, analysieren, was ist jetzt schiefgegangen? Was könnte die Person vielleicht auch mal mit der Person darüber sprechen? Ey, hör mal, ich hatte letztens ein Gespräch mit dir. Ich hatte das Gefühl, du hast, da war irgendwie ein Störgefühl. Habe ich alles…? Also war das in Ordnung, was ich gemacht habe, habe ich irgendwas falsch gemacht. Tut mir leid. Und ich habe auch gesagt, das häufige, das Problem ist nicht, was man in was für ein Fettnäpfchen man stolpert. Es gibt natürlich bestimmte Fettnäpfchen, wo man nicht drüber stolpern sollte, zum Beispiel das N-Wort. Das sollte mittlerweile jeder Mensch wissen, dass man das nicht verwendet, dass es keine Berechtigung hat oder sonst irgendwas. Aber das viel Wichtigere ist, wie gehst du damit um, wenn ich es dann anspreche? Wenn ich sage, ey Wolfgang, ey, und das ist das, was viele Menschen auch so, gerade weiße Menschen. womit die sich schwertun, diese Kritik anzunehmen. Wir gehen sofort in die Verteidigungsposition. Wolfgang, du hast mich vor versammelter Mannschaft gefragt, wo ich herkomme. Du hast mir das Gefühl gegeben, ich gehöre nicht zu der Gruppe dazu. Wir waren in der Fußballmannschaft. Wo kommst du her? Kommst du nicht aus Marokko? Und jetzt Störgefühl. Ich meinte das nicht böse, ich meinte das doch nur… ich war doch selber in Marokko, es war alles cool. Ich wollte nur ein bisschen über meinen… Und dann denk ich mir, jo, jetzt halt mal die Klappe. Es geht jetzt nicht um dich. Du hast mich doch gefragt, was dich gestört hat. Dann hör du erstmal an, was ich dir jetzt zu erzählen habe. Und dann können wir gucken, wie man es besser machen kann.
Wolfgang (00:43:07)
Mohamed, wenn du jetzt einen Slot hier in diesem Podcast hättest, den auf Knopfdruck ganz Deutschland hören könnte, was würdest du ganz Deutschland mitgeben wollen?
Mohamed (00:)
Eigentlich habe ich so Postkarten gemacht, da steht drauf: „mehr miteinander statt übereinander reden“. Und die nächsten, da wird wahrscheinlich draufstehen: „Leben und leben lassen“. Und gerade Leben und leben lassen finde ich extrem wichtig. In allen Hinsichten, egal ob ich das jetzt bin, zum Beispiel in meiner Religion. Ich kann nur Toleranz bekommen, wenn ich auch Toleranz gebe. Ich kann jetzt nicht sagen, ich will, dass man meine Religion respektiert, aber ich respektiere nicht Menschen, die eine andere sexuelle Orientierung haben. Und genauso wünsche ich mir das halt für alle Menschen. Das heißt, versuche erstmal selbstkritisch den Fehler oder die Sachen bei dir zu sehen. Was kann ich besser machen und nicht was können andere besser machen oder anders machen? Warum habe ich keinen Arbeitsplatz bekommen? Warum kriegt jemand anders einen Arbeitsplatz? Und dann einfach so, wie ich es mir quasi wünsche für mich, so gebe ich es auch anderen Menschen zurück. Wenn ich jetzt, wenn jetzt hier Krieg wäre und ich müsste jetzt flüchten, ja, dann würde ich auch ein Handy mitnehmen, so wahrscheinlich. Und mal diesen Perspektivwechsel auch immer wieder zu machen und immer wieder zu überlegen. Das wünsche ich mir für die ganze Welt. Und wenn das nämlich wäre, hätte ich nämlich keinen Job mehr. Und das wäre ein Traum. Also ich mache das nicht jetzt wegen dem Geld nur, sondern mir wäre es, für mich wäre es traumhaft, wenn ich irgendwo wäre, wo man sich fragen würde, was erzählt er da eigentlich? Das ist so klar. Haben wir nichts mehr zu tun. Ja, genau. Könnte ich mich mit anderen Dingen beschäftigen.
Wolfgang (00:44:36)
Okay, ist gut. Mohamed, wir sind zum Ende des Podcasts gelangt. Es war auf jeden Fall eine extrem spannende Reise. Zumal habe ich da auch sehr viel mitgenommen. Ich hoffe, dass unsere Hörer*innen hier auch echt viel mitgenommen haben. An dieser Stelle: vielen lieben Dank.
Mohamed (00:44:54)
Danke auch. Oder generell auch an die Fortbildungsakademie Herne, dass diese Plattform uns gegeben wurde, um über solche wichtigen Themen zu reden. Und wo ich es heute auch schon oder wo ich gerade noch gesagt habe, ich gebe ja heute ein Online-Seminar. Die Fortbildungsakademie bietet hier auch sehr viel online an. Sich gerne mal Vielfalt@Work anschauen. Online-Seminare oder Workshops ermöglichen oder öffnen die Türen für viele Menschen, die selber sehen, dass sie wenig Zeit haben vor Ort irgendwie was durchzuführen. Die E-Learning-Plattform der Fortbildungsakademie einmal durchchecken.
Wolfgang (00:45:24)
Leider geht diese Folge schon zu Ende, aber ich habe viele wichtige Impulse von Mohamed für mich mitgenommen. Respekt bzw. Toleranz spielen hier eine entscheidende Rolle. Ich kann nur Toleranz einfordern, wenn ich selber tolerant bin und Vorurteile oder Schubladendenken komplett ausblende und gar nicht erst zulasse. Wie kann ich Respekt und Toleranz aufbauen? Indem ich mir erstmal die Geschichten der Menschen oder Mitarbeiter*innen anhöre und ein gegenseitiges Vertrauen aufbaue und zunächst viel in die Beziehungsarbeit investiere. Fehler sind absolut legitim, jeder tritt ab und an mal ins Fettnäpfchen. Am Ende ist es entscheidend, wie mit dem Fehler umgegangen wird. Kritik annehmen und es versuchen beim nächsten Mal besser zu machen. Du magst mehr über interkulturelle Kompetenzen erfahren und bist Mitarbeiterin des Landes NRW? Die FAH hat spannende Seminarformate zu dem Themengebiet. Schaut gerne mal in den Seminarkatalog der FAH.
Du bist Mitarbeiterin eines anderen Bundeslandes und bist daran interessiert, dir das mit dem Comenius EduMedia Award ausgezeichnete Web-Based Training, kurz WBT, zum Thema Vielfalt@Work anzuschauen? Schreib gerne eine Mail an die FAH an ell@fah.nrw.de. Die Kontaktdaten findest du auch in den Show Notes.